Der große Tag beginnt in der Nacht. Som weckt uns um 2.30Uhr. Pun möchte früh starten, um vor den vielen anderen Gruppen einen Vorsprung zu haben.
Der Schnee vom Vorabend ist noch etwas abgetaut, bevor die nächtliche Kälte ihn hat überfrieren lassen. Nur eine Schicht weißer Puder bedeckt die Landschaft.
Das Frühstück steht im Aufenthaltsraum bereit. Wasser haben wir schon am Abend aufgefüllt. Während wir frühstücken wird es langsam voll. Wir beeilen uns und starten pünktlich um 3.30 Uhr. Alle haben ihre wärmste Kleidung an. Die Stirnlampen sind bereit. Los geht´s.
Wir beginnen gewohnt langsam und steigen im Schein der Stirnlampen den schon bekannten Weg zum High Camp auf. Auf halben Weg dorthin, bekommt Chi-Chi plötzlich Probleme. Obwohl sie gute warme Kleidung trägt, fängt sie vor Kälte an zu zittern. Sie friert bitterlich. Irgendwas stimmt nicht mit dem Kreislauf. Sie kämpft sich weiter den Berg hinauf. Weit unter uns sehen wir unzählige Stirnlampen. Noch haben wir einen guten Vorsprung. Die Zeit zum High Camp vergeht wie im Fluge. Dort legen wir eine kurze Pause ein. Pun kümmert sich um Chi-Chi. Es fängt an zu dämmern. Wir können schon Strukturen erkennen. Durch den Schnee sehen die umgebenden Berghänge noch beeindruckender aus. Die erste größere Gruppe hat mittlerweile zu uns aufgeschlossen.
Wir warten bis sie vorbeigezogen sind und gehen in unserem Tempo weiter.
Über schmale Pfade, die sich in Serpentinen im Steilhang hochschlängeln, gewinnen wir stetig an Höhe. Die Sonne geht auf. Wir halten inne, um dieses Schauspiel in Ruhe zu genießen. Ein Stück hinter uns bilden die zahllosen anderen Trekker schon eine lange Reihe. Immer wieder müssen wir stehen bleiben und einzelne Trekker und kleine Gruppen vorbeilassen. Som läuft hinter unserer Gruppe und regelt die Überholvorgänge. An engen Stellen versperrt er den Weg. Wir treffen auch wieder auf die rücksichtlose Gruppe, die vor ein paar Tagen schon einmal, drängelnd an uns vorbeizog. Wir nehmen es hin. Andere sind nicht so entspannt und beschimpfen sie wüst – Mit Recht. Pun beschwert sich später bei den Führern. Trotz des überfrorenen Schnees ist es nur an einer Stelle glatt. Pun positioniert sich unterstützend.
Das Panorama wird mit jedem Höhenmeter wundervoller. Nach einem steileren Teilstück gelangen wir auf eine Hochebene. Hier finden wir ein Tee-Haus vor. Mit vielen weiteren Wanderern nehmen wir das Angebot wahr und genießen die morgendliche Sonne bei einer Tasse Tee.
Ein Einheimischer fragt nach Feuer, bekommt das Feuerzeug wegen des Sauerstoffmangels aber nicht zum Brennen. Ein weiterer hilft mit Streichhölzern aus. Die Erfahrung habe ich schon im Khumbu gemacht. Wir kommen ins Gespräch und ich erfahre, dass seine Freundin in Deutschland wohnt. Was ein Zufall. Es ist derselbe, den ich am Vortag auf seinem Pferd fotografiert habe. Er bietet den Aufstieg für erschöpfte oder verletzte Trekker per Pferd an. Diese Alternative hatten wir für Andrea vor zwei Tagen schon vorgeplant, wenn es ihr nicht besser gegangen wäre. Die 150 Dollar hätten wir zusammengelegt. Mit Pun war schon alles abgesprochen. Zum Glück ist der Wetterzwerg zur rechten Zeit wieder fit geworden.
Nach 30min müssen wir weiter. Die Steigung ist moderat. Hinter jeder entfernten Bergkuppe vermuten wir den Pass. Mehrmals werden wir enttäuscht und müssen doch noch weiter. Alle machen einen fitten Eindruck. Jeder will es schaffen.
Dann ist es so weit. Unzählige Gebetsfahnen kündigen den Pass in nicht mehr allzu weiter Entfernung an.
Freude, Umarmungen, Küsse, Tränen. Wir sind überwältigt. Vielen steht die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Wir feiern uns mit den obligatorischen Gruppenfotos. In Manang besorgten wir uns bereits Gebetsfahnen. Am Vorabend haben wir die Namen unserer Liebsten auf diese geschrieben. Nun knoten wir sie fest mit den anderen zusammen. Schaden kann es nicht :-). Pun und Som sind sichtlich erleichtert, dass es alle geschafft haben.
Nach 45min ruft Pun zum Aufbruch auf. Mit der Überquerung verlassen wir Manang. Der Abstieg ins Mustang-Tal beginnt. Es liegen 1700 Höhenmeter über Wege durch loses Geröll vor uns. Natürlich ist die Motivation nach dem Erreichen des Hauptziels der Reise zunächst nicht mehr so hoch. Zu Anfang sind alle noch voller Glückshormone. Jule feiert sich mit einem perfekten Schneeengel. Doch bald ziehen wir nur noch unsere Bahnen. Der Abstieg kommt einem endlos vor. Endlich kehren wir zum Mittagessen auf 4100 Metern ein. War es heute Morgen noch richtig kalt, versuchen wir jetzt der Sonne zu entrinnen. Das Essen wird im Haus serviert. Eine einfache Nudelsuppe muss reichen.
Die Träger haben per Mobiltelefon Kontakt mit Pun aufgenommen. Er erfährt, dass die gebuchte Lodge komplett überfüllt ist. In Muktinath findet ein Pilgerfest statt. Er informiert uns, dass wir in einen nahegelegenen Nachbarort ausweichen.
Die Sonne brennt, die letzten 500 Höhenmeter haben wir mit Hitze und Staub zu kämpfen. Ein absolutes Kontrastprogramm zur reinen, kühlen Bergluft am Morgen.
Nach über 11 Stunden auf den Beinen erreichen wir unsere Ausweich-Unterkunft. Diese gleicht einem Hotel. Toiletten und Duschen auf den Zimmern. Die Dusche ist zwar kalt, was bei der Hitze des Tages jedoch egal ist. Ich lasse Grisu den Vortritt und gehe nach draußen auf den Vorplatz. Hermann sitzt schon geduscht in der Sonne. Ich besorge Uwe und mir ein Bier. Wir sind unter 4000 Meter, so dass Pun das Alkoholverbot aufgehoben hat. Das haben wir uns verdient.
Nach und nach versammeln sich alle vor dem Eingang. Wir sitzen in der Sonne und unterhalten uns über das Erlebte. Bis zum Abendessen sind es noch 3 Stunden. Genügend Zeit, um einige Kleidungsstücke zu waschen.
Da die Besitzer nicht mit so vielen Gästen gerechnet haben, besorgen sie noch Vorräte und Bier in Muktinath.
Das Abendessen wird ein Hochgenuss. Der Koch überrascht uns mit Wasserbüffelfleisch in einer äußerst leckeren Soße. Später fällt der Strom aus. Bei Kerzenschein beschließen wir den Tag. Alles ist perfekt.